Smart Services: Chancen und Herausforderungen

Gastbeitrag von Jana Frank, Bereichsleiterin, und Christian Holper, Projektmanager, Dienstleistungsmanagement FIR e.V. an der RWTH Aachen

Jana Frank, Bereichsleiterin Dienstleistungsmanagement FIR e.V. an der RWTH Aachen © FIR e. V. an der RWTH Aachen
Jana Frank, Bereichsleiterin Dienstleistungsmanagement FIR e.V. an der RWTH Aachen © FIR e. V. an der RWTH Aachen
Christian Holper, Projektmanager Dienstleistungsmanagement FIR e.V. an der RWTH Aachen © FIR e. V. an der RWTH Aachen
Christian Holper, Projektmanager Dienstleistungsmanagement FIR e.V. an der RWTH Aachen © FIR e. V. an der RWTH Aachen

03.04.2020

Die in der produzierenden Industrie fortschreitende Digitalisierung geht mit großen Potenzialen einher. Nichtsdestotrotz blieb der realisierte Nutzen aus der Digitalisierung bisher hinter den Erwartungen zurück. Durch Smart Services besteht die Möglichkeit, neue digitale Geschäftsmodelle mit Fokus auf einen hohen Kundennutzen zu realisieren und folglich mit einer individuellen und dennoch skalierbaren Lösung auf effiziente Weise Wertschöpfung zu generieren.

Durch den von Industrie 4.0 geprägten Wandel schreitet die Entwicklung digitaler Technologien voran. Die damit einhergehende vermehrte Nutzung digital vernetzter physischer Objekte sorgt für einen stetigen Anstieg der dadurch generierten Daten. Die digitale Vernetzung bedeutet für den Service einen Umbruch und die Nachfrage nach klassischen Serviceangeboten verändert sich. Durch eine Aggregation und Verarbeitung der generierten Daten wird das Angebot von datenbasierten Dienstleistungen ermöglicht.

Datenflut nutzen

Im Kern der Leistung des Smart Services stehen Daten, die aus der Nutzung vernetzter physischer Maschinen wie z. B. einer digital anschlussfähigen Produktionsanlage stammen. Ein weiteres Merkmal zeigt sich dadurch, dass Anbieter von Smart Services häufig eine neutrale Position hinsichtlich des verknüpften Smart Products einnehmen. Hierdurch versucht der Anbieter, zum einen eine möglichst große Menge an installierten Maschinen zu adressieren und andererseits eine dominante Rolle im digitalen Ökosystem der Wertschöpfungskette zu besetzten. Die dritte bestimmende Eigenschaft zeigt sich in der Zielsetzung, prädiktive bzw. präskriptive Aussagen zu treffen und folglich darauf aufbauende Services anbieten zu können.

Wertschöpfungspotenzial

Maschinen- und Anlagenbauer versprechen sich enorme Potenziale, wenn sie ihren Kunden Smart Services anbieten. So können Hersteller beispielsweise Betriebs- und Nutzungsdaten einer Maschine analysieren, um optimale Einstellungsparameter einer Maschine zu generieren. Denkbar ist auch, dass die Analyse der Daten zur Optimierung der Instandhaltung genutzt wird. Anstelle einer präventiven Instandhaltung wird eine prädiktive Instandhaltung durchgeführt. Ausfälle werden bereits frühzeitig prognostiziert und entsprechende Maßnahmen geplant und eingeleitet. Experten prognostizieren dadurch allein für den Maschinen- und Anlagenbau ein zusätzliches Wertschöpfungspotenzial von 23 Milliarden Euro bis zum Jahr 2025.

Strategische Eingliederung

Ausgehend von dem Standpunkt, dass es sich bei dem Smart-Service-Angebot um eine Erweiterung bereits bestehender Geschäftstätigkeiten handelt, lassen sich unterschiedliche Elemente bzw. Rollen von Smart Services in Bezug auf die Digitalisierungsstrategie unterscheiden. Zunächst können die datenbasierten Dienstleistungen dazu genutzt werden, eine interne Verbesserung im Unternehmen herbeizuführen. Beispiele sind das Senken von Durchlaufzeiten oder die Verbesserung der Produktionsqualität. Ein weiterer Anwendungsbereich zeigt sich im Erweitern des bestehenden Produkt- und Serviceangebots um ein zusätzliches digitales Angebot, das dem Kunden einen Mehrwert liefert.

Erweitertes Portfolio

Das ermöglicht dem Anbieter beispielsweise den Aufbau einer langfristigen Beziehung zum Kunden oder das Generieren von Informationen über sein Nutzungsverhalten zur Unterstützung der Entwicklungsprozesse sowie der Verbesserung der angebotenen Leistungen. Beispiele für einen solchen Smart Service sind die Auswertung der Daten zur Qualitätsverbesserung oder Prognose von Maschinenausfällen. Diese Smart Services stehen in Verbindung mit dem bestehenden Produkt- und Service-Portfolio und werden deshalb häufig dem Kunden als Service-Paket angeboten.

Den Markt dominieren

Auf der dritten Anwendungsebene dienen Smart Services dazu, neue Geschäftsfelder – unabhängig vom bestehenden Produkt- bzw. Servicegeschäft – zu erschließen. Diese müssen sich nicht einem existierenden Produkt- oder Servicegeschäft unterordnen. Dieses neue Geschäftsfeld kann einerseits dazu genutzt werden, sich im Markt zu diversifizieren, andererseits kann Wissen über Kundenbedarfe generiert und für das eigene Kerngeschäft genutzt werden. Der vierte Bereich zur Anwendung des Smart Services zielt darauf ab, durch die Umsetzung neuer hochskalierbarer Geschäftsmodelle relevante Kontrollpunkte in Ökosystemen einzunehmen und folglich eine dominierende Rolle im Markt zu besetzen.

Vertrieb von Smart Services

Die Entwicklung eines solchen Smart Services – und vor allem dessen Einführung in den Markt – ist nicht einfach. So scheitern vor allem Smart Services (~50 %) im Vergleich zu klassischen Produkten (~35 %) und Dienstleistungen (~43 %) nach dem ersten Jahr der Markteinführung. Dies liegt am höheren erforderlichen Grad der interdisziplinären Zusammenarbeit, an kürzeren Lebenszyklen, an der Einbindung von Daten sowie am höheren Komplexitätsgrad. Laut aktuellen Studien scheitern die Firmen zu Beginn der Markteinführung häufig an geringen Adaptionsraten durch den Kunden. Dies kann auf unzureichende intra-organisationale Kapazitäten, geringe interne Umsetzungsbereitschaft sowie Abstimmungsprobleme zwischen den Organisationen zurückgeführt werden.

Phasenmodell zum Markteintritt

Ein vom Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) e.V. an der RWTH Aachen entwickeltes phasenorientiertes Markteinführungsmodell unterstützt Unternehmen beim erfolgreichen Vertrieb und Markteintritt von Smart Services. In Phase 1 - der Pilotierung - werden Vertrieb sowie die prototypische Integration beim Kunden getestet, validiert und optimiert. Danach erfolgt der Markteintritt mit ersten kommerziellen Erfolgen auf Basis der Daten aus der Pilotphase. In der Standardisierungsphase besteht das Ziel hauptsächlich darin, den Aufwand für Vertriebsabschlüsse durch Standardisierungsmaßnahmen zu reduzieren. Dafür müssen Prozesse am Kunden ausgerichtet sowie Methoden und Wissen effizient genutzt werden. Die vierte Phase – die Skalierung – geht einher mit einer umfangreichen Automatisierung, die eine hohe Prozesseffizienz sicherstellt. Die erhobenen Daten optimieren dabei den Smart Service.

Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) an der RWTH Aachen

Die Autorin Jana Frank ist Bereichsleiterin Dienstleistungsmanagement, Autor Christian Holper Projektmanager Dienstleistungsmanagement am FIR e.V. an der RWTH Aachen. Das FIR ist eine gemeinnützige, branchenübergreifende Forschungseinrichtung auf dem Gebiet der IT-gestützten Betriebsorganisation. Der Bereich Dienstleistungsmanagement fokussiert das Thema Services und begleitet dank langjähriger Erfahrung in der Entwicklung digitaler, datenbasierter Dienstleistungen Unternehmen sowohl bei den ersten Schritten in Richtung Digitalisierung als auch bei der Integration des Digitalgeschäfts in die Kernunternehmung.

www.fir.rwth-aachen.de


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