„Wir verbinden Mensch und Technologie“

Interview mit Beirat Gerhard Nachförg

Ing. Gerhard Nachförg © GW St. Pölten
Ing. Gerhard Nachförg, MBA ist seit 1988 in der GW St. Pölten beschäftigt, seit 2009 in der Funktion des Geschäftsführers (CEO). Seit 2010 ist Nachförg Beirat im Mechatronik-Cluster. © GW St. Pölten
Die Zentrale der GW St. Pölten © GW St. Pölten
Die Zentrale der GW St. Pölten © GW St. Pölten
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird in dem integrativen Betrieb gelebt. © GW St. Pölten
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird in dem integrativen Betrieb gelebt. © GW St. Pölten
Die GW St. Pölten bildet 60 Lehrlinge aus. © GW St. Pölten
Die GW St. Pölten bildet 60 Lehrlinge aus. © GW St. Pölten
Im Geschäftsfeld Elektro baut die GW St. Pölten Schaltschränke. © GW St. Pölten
Im Geschäftsfeld Elektro baut die GW St. Pölten Schaltschränke. © GW St. Pölten

25.04.2023

Unser Beirat Gerhard Nachförg, CEO des integrativen Betriebs GW St. Pölten, interpretiert Automatisierung auf seine Art: Bei jedem Auftrag schaut er darauf, möglichst viele Mitarbeiter einzubinden. Im Interview gibt er Einblicke in seine Philosophie.

Die GW St. Pölten ist ein integrativer Betrieb. Was darf man sich darunter vorstellen?

Die GW St. Pölten Integrative Betriebe GmbH ist einer von acht integrativen Betrieben in Österreich. Wir beschäftigen Menschen mit und ohne Behinderung. Dadurch erfüllen wir einen besonderen gesetzlichen Auftrag zur Integration von behinderten Menschen, indem wir ihnen beim (Wieder-)Einstieg ins Berufsleben helfen oder zu kollektivvertraglichen Bedingungen einen Arbeitsplatz bieten. Wir bieten unseren Mitarbeitern ausgezeichnete Rahmenbedingungen im Arbeitsumfeld, damit jeder seine persönlichen 100 Prozent leisten kann und wir somit Kundenanforderungen bestmöglich erfüllen können.
 

In welchem Geschäftsfeld sind Sie tätig?

Wir sind ein moderner und zertifizierter Industriebetrieb mit mehr als 40 Jahren Erfahrung, der in den Geschäftsfeldern Metall, Elektro, Textil, Schilder/Druck/Werbetechnik und GW Services (Grünraumpflege, Gebäudereinigung und Sanierung) tätig ist und derzeit rund 580 Mitarbeiter – davon ca. 60 Lehrlinge – beschäftigt. Integrativen Betrieben (IB) werden übrigens nur jene Nachteile durch Förderung ausgeglichen, die durch die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung gegenüber anderen Betrieben entstehen. Damit sind die IB anderen Betrieben gleichgestellt.
 

Welche Herausforderungen müssen Sie meistern?

Die GW St. Pölten hat einen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Wir beschäftigen aktuell mehr als 70 Prozent Menschen mit Behinderung. Dadurch ergeben sich Herausforderungen an der Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsumfeldes. Durch die Schaffung einer sicheren, gesundheits- und leistungsfördernden Arbeitsumgebung tragen wir zum nachhaltigen Erfolg unseres Unternehmens bei. Wir legen großen Wert auf die sichere und menschengerechte Gestaltung der Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe, um die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu gewährleisten.
 

Wer profitiert von einem integrativen Betrieb und wie?

Zum einen profitieren die Mitarbeiter der GW St. Pölten über alle Lebensphasen durch die unterschiedlichsten Unterstützungsangebote, wie z. B. fit2work, BGF, Vereinbarkeit Beruf & Familie, betriebsinterne Sozialarbeiterinnen usw. Mit dem Ziel, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Durch unsere fünf Geschäftsfelder und deren Fertigungstiefen können wir unseren Mitarbeitern aufgrund ihrer Behinderungen optimierte und auf sie individuell gestaltete Arbeitsplätze und -prozesse bieten, um ihre persönlichen 100 Prozent zu erreichen. Zum anderen profitieren unsere Partnerunternehmen, Kunden, Lieferanten, usw. Aufgrund unseres breiten Portfolios können wir unseren Kunden kompetente Komplettlösungen anbieten.
 

Sie setzen somit auf den Faktor Mensch und interpretieren „Automatisierung“ in Ihrem Betrieb auf Ihre ganz eigene Weise. Wie ist Ihre Philosophie dazu?

Im Mittelpunkt der Organisationsentwicklung der GW St. Pölten steht das Zusammenspiel von Menschen, der Organisation und von (IT-)Technologien/Technik. Unser Leitsatz lautet: „Wir verbinden Menschen und Technologien.“ Dies spiegelt sich auch in unseren Schlagworten „Industriell. Integrativ. Innovativ“ wider. Als zertifizierter Industriebetrieb arbeiten wir nach industriellen Standards und bieten Menschen mit Behinderungen ein Arbeitsumfeld, in dem Produktivität und Integration in keinem Widerspruch stehen. Als Grundsatz zur Gestaltung unserer Arbeitsprozesse sehen wir den Ansatz der Teilautomatisierung als wesentlichen Erfolgsfaktor. Dabei ist uns besonders wichtig, den Menschen durch Digitalisierung nicht zu ersetzen, sondern unseren Mitarbeitern durch Digitalisierungslösungen den Arbeitsablauf zu erleichtern. Weiters setzen wir in unseren Prozessen auf Lean-Methoden und ständige Verbesserung durch aktive KVP-Prozesse unter Einbindung aller Mitarbeiter.
 

Ein Erfolgsfaktor ist dabei die Inklusion – sprich: Nicht der Einzelne muss sich anpassen, sondern das System muss so flexibel sein, dass niemand ausgeschlossen wird. Wird dies in Ihrem Betrieb gelebt?

Ja, wir leben aufgrund unserer Unternehmensstruktur und -kultur Inklusion jeden Tag. Wir nutzen die einzelnen Potenziale unserer Mitarbeiter im Unternehmen so, dass wir als wandlungsfähiges Unternehmen auf den Markt reagieren können. Wir leben Diversität sowie einen wertschätzenden und respektvollen Umgang miteinander anhand unserer Führungsgrundsätze.
 

Sie sind Beirat im Mechatronik-Cluster. Was hat Sie zur Mitwirkung motiviert?

Aufgrund unseres Produkt- bzw. Leistungsportfolios – u. a. in den Geschäftsfeldern Elektro und Metall (Schaltschrankbau, Baugruppenfertigung usw.) – passt der Mechatronik-Cluster sehr gut zu uns. Die Mitwirkung im Beirat ist geprägt von einem großen Informations- und Know-how-Austausch mit anderen Netzwerkpartnern, wichtigen Kooperationsprojekten, Kompetenzsteigerungen sowie einer großen Unterstützung hinsichtlich Erweiterung der Produkt- und Dienstleistungsportfolios auf neuen Märkten im In- und Ausland. Das hat mich auch zum Beitritt motiviert – um gemeinsam mehr zu erreichen.
 

Wie profitiert Ihr Unternehmen vom Mechatronik-Cluster?

Durch ein branchenübergreifendes Netzwerk, das der Mechatronik-Cluster bietet, können wir unser Unternehmen und unser Können präsentieren und vor den Vorhang holen, nicht nur durch die Treffen im Cluster, sondern auch durch die mediale Präsenz des Clusters. Durch den gelebten Wissens- und Erfahrungsaustausch im Mechatronik-Cluster können wir uns ständig weiterentwickeln und von anderen lernen. Des Weiteren ergeben sich dadurch auch gemeinsame Kooperationen oder Kooperationsprojekte, die sich wahrscheinlich ohne das Netzwerk nicht gebildet hätten. Inzwischen sind auch namhafte Mitglieder im Cluster zu Top-Kunden in der GW St. Pölten geworden.
 

Welche Herausforderungen sehen Sie mittelfristig am Wirtschaftsstandort Österreich?

Fachkräftemangel und Lehrlingsausbildung, das Thema Work-Life-Balance, welche die Mitarbeiter immer mehr fordern. Energieverfügbarkeit und -preise, Verfügbarkeit der Materialien, die Digitalisierung sowie Produktion in Europa.

 

GW St. Pölten Integrative Betriebe GmbH

Die GW St. Pölten ist ein innovativer, zertifizierter und zukunftsorientierter Industriebetrieb. Das Unternehmen orientiert sich an aktuellen Markt- und Kundenanforderungen und entwickelt gemeinsam mit ihren Kunden individuelle Lösungen, die einen optimalen Kundennutzen stiften. Das Unternehmen bietet als Outsourcing-Partner industrielle Dienstleistungen nach internationalen Industrie- und Qualitätsstandards in den Geschäftsfeldern Metall, Elektro, Textil, Schilder/Druck/Werbetechnik und GW Services (Grünraumpflege, Gebäudereinigung, Sanierung). Das Unternehmen wurde 1981 gegründet und beschäftigt 580 Mitarbeiter, davon ca. 60 Lehrlinge. Sie erwirtschaften rund 33 Millionen Euro Jahresumsatz. Die Zentrale befindet sich in St. Pölten-Hart; zwei weitere Werke stehen in Gmünd und St. Pölten.

www.gw-stpoelten.com