„Wir verbinden reale und virtuelle Welt“

Interview mit Univ.-Prof. DI Dr. Georg Steinbichler

Die Kunststoff-Recyclingmaschine der Fa. EREMA in der LIT Factory an der JKU © Land OÖ/Lisa Schaffner
Die Kunststoff-Recyclingmaschine der Fa. EREMA in der LIT Factory an der JKU © Land OÖ/Lisa Schaffner
Univ.-Prof. DI Dr. Georg Steinbichler erklärte beim Internationalen Forum Mechatronik die Aufgaben und Ziele der LIT Factory. © Cityfoto/Roland Pelzl
Univ.-Prof. DI Dr. Georg Steinbichler erklärte beim Internationalen Forum Mechatronik die Aufgaben und Ziele der LIT Factory. © Cityfoto/Roland Pelzl

05.01.2022

Univ.-Prof. DI Dr. Georg Steinbichler leitet das Institut für Polymer-Spritzgießtechnik und Prozessautomatisierung an der Johannes Kepler Universität Linz sowie die LIT Factory. Beim Internationalen Forum Mechatronik führte Steinbichler als Gastgeber die Teilnehmer durch die Pilotfabrik und gab einen Überblick über die Aufgaben und Ziele der LIT Factory. Im Interview mit dem MC-report fasst er seinen Vortrag noch einmal zusammen.

Was dürfen wir uns unter der LIT Factory vorstellen?

Wir sind eine vernetzte Lehr-, Lern- und Forschungsfabrik für die smarte Kunststoffverarbeitung und Entwicklung neuer Prozesstechnologien, für Kreislaufwirtschaft mit Re- und Up-Cycling von Kunststoffen sowie für die Digitale Transformation entlang der Wertschöpfungskette. Im Fokus stehen Modellbildung, Prozesssimulation und die Schaffung Digitaler Zwillinge sowie der Einsatz von Methoden aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz. Wir experimentieren, validieren und optimieren. Ein großer Schwerpunkt ist derzeit das Re- und Upcycling von Kunststoffen aus der regionalen Sammlung und der Verpackungsindustrie.

Was passiert zum Thema Kunststoffrecyling in der LIT Factory?

Die einzelnen Schritte des mechanischen Re- und Up-Cyclings haben wir entlang der Prozesskette im Industrie- und weitere im Pilot-Maßstab vollständig abgebildet. Im Smart Quality Lab können wir mit modernsten Analysemethoden die Eingangsmaterialien z. B. auf Sortierqualität, Verschmutzung und einen unzureichenden Waschprozess sowie im Labormaßstab hergestellte Folien auf optische Fehler untersuchen. Weiters können wir die Verarbeitbarkeit der Rezyklate im Spritzgießfahren und in der Extrusion überprüfen und erzielbare Eigenschaften beurteilen.

An welchen konkreten Anwendungsbeispielen arbeiten Sie hier?

Wir zeigen z. B. in Form eines Use Cases auf, welche Vorteile eine Datendurchgängigkeit in der Spritzgießtechnik vom Bauteildesign über die Konstruktion und den Bau des Werkzeugs in Verbindung mit der Prozesssimulation für die Vorstellung der Spritgießmaschine und die Prozessoptimierung bringen kann. Neuronale Netze werden für die Optimierung der Oberflächenqualität geschäumter Bauteile eingesetzt. Neue ultraschallbasierte Sensoren verwenden wir als Sinnesorgane für eine erfolgreiche Digitalisierung.

Welche Rolle spielt der Leichtbau in Ihrer Forschungstätigkeit?

Dem Leichtbau mit wiederverwertbaren faserverstärkten Kunststoffen gehört die Zukunft. Wir entwickeln und fertigen Leichtbau-Composites nach Vorbildern aus der Natur. Der Ast des Apfelbaums oder der Schmetterling sind hervorragende Beispiele. Mittels Algorithmen kommen wir zu fertigbarem Design und verformen endlosfaserverstärkte Tapegelege, die zuvor in einer Presse konsolidiert wurden und funktionalisieren diese anschließend in einer Spritzgießproduktionszelle. Am Ende haben wir tapeverstärkte rezyklierbare Leichtbauteile für den Fahrzeugbau, die Luftfahrt und für Anwendungen im Sportbereich. Assistenzsysteme in Verbindung mit neuen Messmethoden wie z. B. der optischen Kohärenztomographie ähnlich der Ultraschallbildgebung unterstützen das Anlagenbedienpersonal.

Und welche Rolle spielt hier die Digitalisierung?

Wir sprechen von Digitaler Transformation, seitdem wir versuchen, die physische reale Welt und die digitale virtuelle Welt zu verbinden und zu vernetzen. Mit der Digitalen Transformation gewinnt die Integration von Technologien an Bedeutung, die die Simulation der Realität sowie das Erfahrungswissen von Menschen um aus Daten generierte Informationen erweitert. Dahinter steckt auch in der Kunststofftechnik ein hohes Potenzial, Prozesse zu optimieren und zu beschleunigen. Starre Wertschöpfungsketten werden zunehmend von dynamischen Netzwerken abgelöst, in denen Geschäfts- und Produktionsprozesse neu strukturiert und organisiert werden.

LIT Factory am Campus der Johannes Kepler Universität Linz

3 Hallenschiffe mit 1.600 m2

Shared Office Space:

im Open Innovation Center für 240 Personen, LIT Labs, Spin-offs, Unternehmen und Netzwerkpartner

Research Labs:

Smart Quality Lab, Locomotion Lab

www.jku.at/lit-factory


Das könnte Sie auch interessieren: