Warum auch eine gute Idee eine Machbarkeitsstudie braucht

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27.09.2021

Damit dem erfolgreichen Projektstart nichts mehr im Wege steht, und die Idee nicht nur eine Idee bleibt, sollte eine Machbarkeitsstudie (Feasibility Study) vor der Umsetzung durchgeführt werden.

Zu Beginn steht meist eine gute Idee. Dann soll diese alsbald in die Tat umgesetzt werden und ein Projekt gestartet werden. Sich vorschnell in eine Projektumsetzung zu stürzen ist allerdings nur in Ausnahmefällen eine gute Idee. Warum? Weil im Vorfeld unbedachte Einflussfaktoren schnell zum Scheitern eines Projekts führen können. Das ist dann nicht nur schlecht für das Geschäft, sondern auch schade um die gute Idee (und die Arbeit, die man in deren Umsetzung schon gesteckt hat). Vor dem Start ist es also wichtig, die Idee auf Umsetzbarkeit zu prüfen, mögliche Risikofaktoren zu erkennen und zu bewerten und dabei sowohl wirtschaftliche Einflussfaktoren wie etwa Finanzen und Personalressourcen als auch zeitliche Abläufe zu berücksichtigen. Wir stellen im nachfolgenden Text die Machbarkeitsstudie (Feasibility Study) als wichtiges Instrument vor jedem Projektstart vor, beschreiben ihre Ziele und zeigen einige praktische Methoden und Tools zur effizienten Durchführung. Damit dem erfolgreichen Projektstart nichts mehr im Wege steht – und die Idee nicht nur eine Idee bleibt. 

Eine Machbarkeitsstudie (auch Projektstudie oder engl. feasibility study) schafft eine Entscheidungsgrundlage, ob bzw. wie ein Projekt durchgeführt werden kann und wird daher in der Initialisierungsphase vom Auftragnehmer bzw. der Auftragnehmerin durchgeführt. Das Ergebnis ist ein umfassender Bericht zur Durchführbarkeit eines Projektes, der neben rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekten auch die Organisation und Zeitplanung, vor allem aber die technische Machbarkeit beleuchtet. Die Studie schließt damit in der Praxis meist eine umfassende Anforderungs- und auch Risikoanalyse mit ein. In welchem Umfang und mit welchen Methoden eine Machbarkeitsstudie durchgeführt wird, ist in der Praxis individuell und von Projekt zu Projekt (bzw. Projektidee) unterschiedlich.

Die Durchführung einer Machbarkeitsstudie ist jedenfalls dann besonders wichtig, wenn die Projektidee erst vage ist, es viele Unklarheiten gibt, nicht alle Beteiligten das gleiche Verständnis haben, die Ziele noch nicht klar sind oder einfach die technische Umsetzbarkeit fraglich ist. Auftraggeber*innen formulieren in der Anfangsphase meistens, was sie wollen, haben aber vor allem bei komplexen Projekten oftmals noch keine oder eine sehr unklare Vorstellung von der konkreten technischen Umsetzung, den zu verwendenden Technologien und generell der Machbarkeit. Im Rahmen einer Anforderungsanalyse wird dann von Auftraggeber*in und Auftragnehmer*in gemeinsam erarbeitet, was der*die Auftraggeber*in wirklich braucht. Auf dieser Basis kann dann die Machbarkeit des Vorhabens geprüft werden. Verzichtet man zu Beginn auf eine Machbarkeitsstudie, ist die Gefahr groß, dass es spätestens in der Realisierungsphase zu unerwarteten Einschränkungen durch nicht bedachte Risiken kommt und Probleme auftreten.

Mit dem passenden Methodenset zum Ziel

Die Inhalte bzw. Lösungsansätze einer Machbarkeitsstudie sind nicht in einer Norm festgelegt. Das ist auch gut so, denn jedes Projektvorhaben steht vor unterschiedlichen An- und Herausforderungen. Aus dem Pool an Möglichkeiten kann damit individuell auf die bestehenden Bedürfnisse und Rahmenbedingungen zugeschnitten ein passendes Set an Methoden ausgewählt werden. Im Vorfeld sollte man sich bereits Gedanken über ein paar wesentliche Voraussetzungen machen, ohne deren Erfüllung eine Machbarkeitsstudie nur wenig Sinn macht: Dies sind u.a. klar definierte Projektziele (SMART), strategische Ziele und Nicht-Ziele, Projekt-Grenzen sowie obligatorische und optionale Ergebnisse. Denn nicht alles, was technisch machbar ist, ist gleichzeitig auch zielführend oder zufriedenstellend für die Kund*innen. In Machbarkeitsstudien häufig verwendete Methoden schließen beispielsweise die folgenden ein.

  • Reifegradanalyse
  • Anforderungsanalyse
  • Business Model Canvas
  • Risikoanalyse
  • SWOT-Analyse
  • Kosten-Nutzen-Analyse

Risikoanalyse

Ein kurzer Realitätscheck: Ein Projekt läuft im seltensten Fall reibungslos ab und positive Themen werden von Mitarbeiter*innen viel lieber bearbeitet als das Absichern gegen negative Zukunftsszenarien. Dennoch ist die Risikoanalyse ein unverzichtbarer Bestandteil einer Machbarkeitsanalyse, um für das Unerwartete gerüstet zu sein. Ziel der Risikoanalyse ist es, mehr Transparenz und Bewusstsein für das Projekt potenziell gefährdende Einflussfaktoren zu schaffen. Durch die vorzeitige Auseinandersetzung mit diesen Risiken kann sich das Projektteam vorbereiten und auch bereits präventive Maßnahmen treffen. Bei der Risikoanalyse sind drei Begriffe voneinander abzugrenzen:

  • Eine Ursache ist ein existierender Faktor, der potenziell zu einem Risiko führen kann.
  • Ein Risiko ist eine Unsicherheit, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintritt und beim Eintreten zu einem Problem wird.
  • Eine Auswirkung ist eine negative Konsequenz, wenn ein Risiko eintritt.

Risiken können in unterschiedlichen Bereichen wie bspw. in der Finanzierung, Planung oder dem Projektumfeld vorhanden sein. Nur wenn Risiken frühzeitig identifiziert, quantifiziert und Maßnahmen abgeleitet werden, kann das Schadensausmaß (z.B. Ressourcenprobleme, Mehrkosten, Zeitverzögerungen, Scheitern des Projekts) reduziert werden. Das Ergebnis ist eine Risikomatrix, die Informationen zu den identifizierten Risiken sowie das Schadensausmaß und auch die (geschätzte) Eintrittswahrscheinlichkeit beinhaltet. Da Risiken sich über die Zeit auch verändern können, sollte anstatt einer einmaligen Einschätzung aktives Risikomonitoring betrieben werden.

Business Model Canvas

Ein sehr hilfreiches Framework zur strategischen Planung und Entwicklung bietet das Business Model Canvas. Der Nutzen liegt v.a. in der kompakten und visuellen Darstellung des Geschäftsmodells in einem skalierbaren System. Dies kann als Diskussionsbasis genutzt werden, um ein gemeinsames Verständnis aufzubauen und Abhängigkeiten auf einen Blick zu erkennen. Einerseits werden die zur Umsetzung notwendigen Mittel dargestellt (linke Hälfte), zum anderen werden Werte für Kundinnen und Kunden bzw. Unternehmen dokumentiert (rechte Hälfte). Die weitere Gliederung erfolgt in neun Elemente:

  • Nutzenversprechen/Mehrwert: Was ist unser Nutzenversprechen den Kundinnen und Kunden gegenüber?
  • Kundensegmente: Wer ist die Zielgruppe?
  • Kanäle: Wie erreiche und informiere ich potenzielle Kundinnen und Kunden über das Angebot?
  • Kundenbeziehungen: Wie soll die Beziehung zu Kundinnen und Kunden aussehen (von der Akquise bis hin zur Stammkundenpflege)?
  • Einnahmequellen: Wie gestaltet sich das Preismodell, mit dem wir unser Geld verdienen?
  • Wichtige Ressourcen: Welche Ressourcen (z.B. finanziell, personell, (im)materiell, technisch) sind notwendig?
  • Wichtige Aktivitäten: Welche Tätigkeiten sind notwendig, um den Erfolg des Geschäftsmodells kontinuierlich gewährleisten oder erhöhen zu können
  • Wichtige Partner: Wer sind unsere strategischen Partner*innen?
  • Kostenstruktur: Welche erfolgskritischen Kostenpunkte und Ausgaben müssen berücksichtigt werden?

Reifegradanalyse

Die Reifegradanalyse (engl. maturity analysis) ist ein praxisorientiertes Verfahren zur Zustandsermittlung einer bestimmten Gruppe von Faktoren bzw. Fähigkeiten. Dabei kann einerseits der aktuelle Reifegrad (IST) erhoben werden, und andererseits können kurzfristige oder langfristige Ziele (SOLL) als zukünftige Reifegrade im selben Diagramm dargestellt werden. Diese Analyse macht v.a. dann Sinn, wenn ein bestehendes Produkt bzw. System erweitert werden und die weitere Ausbaustufe klar definiert werden soll. Ein klarer Vorteil ergibt sich aus der anschaulichen Darstellung durch die visuell aufbereiteten Ergebnisse und den uneingeschränkten Freiheitsgrad an Faktoren. So erhält man auf einen Blick eine gute Übersicht über unterschiedliche Ausbaustufen und gleichzeitig eine gute Vergleichsbasis (IST vs. SOLL). Für die identifizierten Entwicklungspotenziale und Schwächen können dadurch gezielt Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet und dadurch der Reifegrad erhöht werden.

Die Umsetzung eines solchen Maturity Charts erfolgt häufig über ein Radardiagramm. Dabei wird in jeder Stufe für jeden Faktor eine Punktzahl zw. 0 und 100 (vollkommen unausgereift bzw. voll ausgereift) vergeben, welcher den Reifegrad dieses Faktors in dieser Stufe beschreibt und im Anschluss innerhalb einer Stufe über Linien miteinander verbunden werden. Es ist allerdings nicht als negativ zu werten, wenn bestimmte Faktoren nie einen Reifegrad von 100 erreichen. Die tatsächlich notwendigen Reifegrade hängen von den vorliegenden Anforderungen zu bestimmten Zeitpunkten ab.

Prozessoptimierung mit dem richtigen Werkzeug

Zur bestmöglichen Einbindung und Beteiligung aller Stakeholder kann ein starker Fokus auf Interaktivität den Prozess zur gemeinsamen und erfolgreichen Ausarbeitung der Inhalte unterstützen. Damit wird sichergestellt, dass alle Sichtweisen gesammelt, die unterschiedlichen Anforderungen dokumentiert und die dadurch gewonnenen Erkenntnisse in die finale Evaluierung miteinbezogen werden können. So kann eine Machbarkeitsstudie effizient und zielführend durchgeführt werden. Situationsabhängig erweisen sich dabei unterschiedliche Werkzeuge als nützlich wie bspw. ein einfacher Flipchart oder Online-Werkzeuge wie bspw. Collaboard, Microsoft Whiteboard, InVision Freehand oder Miro.

Die RISC Software GmbH konnte mit der virtuellen Online Kollaborations-Plattform Miro (https://miro.com) bereits sehr viele positive Erfahrungen sammeln. Hier können gleichzeitig mehrere Personen in Echtzeit auf einem unendlich großen Online-Whiteboard visuell zusammenarbeiten. Das Tool lässt sich außerdem mit zahlreichen Apps (z.B. Google Drive, Video-Chat, etc.) erweitern, welche das Arbeiten im Team noch weiter vereinfachen und effizienter gestalten. Auch im Zuge einer Machbarkeitsstudie eignet sich ein solches Online-Tool hervorragend als Diskussionsbasis und Dokumentationswerkzeug. Anhand eines zuvor konstruierten Leitfadens zur Ausarbeitung einzelner Komponenten können die Inhalte diskutiert und in den Templates des Boards gemeinsam bearbeitet und dokumentiert werden. So wird auch in Covid-19 bzw. Home-Office-Zeiten ein gemeinsames Verständnis über die Durchführbarkeit eines Projektes geschaffen und Herausforderungen frühzeitig erkannt. Dadurch können von Beginn an die richtigen Maßnahmen gesetzt und Ressourcen bestmöglich verplant werden, sodass zeitnah mit einer erfolgreichen Umsetzung der initialen Projektidee begonnen werden kann.

Dieser Fachartikel entstand im Rahmen der FFG Förderung des Projekts “InnoFIT – Innovative Forecast- und Bedarfsanpassung durch die Nutzung von Vertriebsdaten aus neuen Informationstechnologien” (FFG Projektnummer: 867471).

Autorinnen

Sandra Wartner ist als Data Scientist in der Abteilung Logistics Informatics in diversen Forschungsprojekten in den Bereichen Industrie und Medien tätig. Ihr Fokus liegt auf unterschiedlichsten Aufgabenstellungen aus Data Analytics (insbesondere Knowledge Engineering und Natural Language Processing) sowie auf dem Einsatz von KI-Lösungen in der Praxis.

Christina Hess ist Data Scientist in der Abteilung Logistics Informatics und Doktorandin an der Universität Wien im Bereich Logistics and Operations Management. Sie beschäftigt sich mit dem Einsatz von Machine Learning Methoden in der Praxis, der Lösung von komplexen Optimierungsproblemen und der Integration von Optimierungs- und datengetriebenen Methoden.

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Kontakt

RISC Software GmbH
Softwarepark 32a
4232 Hagenberg
www.risc-software.at


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